Eine sorgfältige Pflegedokumentation ist nicht nur gesetzliche Pflicht, sondern auch zentrales Qualitätsmerkmal professioneller Pflege. Sie sichert die Kontinuität der Betreuung, ermöglicht die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und dient als rechtlicher Nachweis der erbrachten Leistungen. In diesem Artikel erfahren Sie, worauf es bei einer professionellen Pflegedokumentation ankommt.
Rechtliche Grundlagen der Pflegedokumentation
In der Schweiz basiert die Dokumentationspflicht auf verschiedenen rechtlichen Grundlagen. Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) verpflichtet Leistungserbringer, ihre Tätigkeiten genau zu dokumentieren. Zudem fordert das Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG), dass Gesundheitsdaten besonders sorgfältig behandelt werden.
Die Dokumentation muss folgende Anforderungen erfüllen:
- Vollständigkeit: Alle relevanten Pflegemassnahmen müssen lückenlos dokumentiert werden
- Zeitnähe: Eintragungen sollten möglichst unmittelbar nach der Durchführung erfolgen
- Nachvollziehbarkeit: Einträge müssen für Fachpersonen verständlich und eindeutig sein
- Unveränderbarkeit: Änderungen müssen als solche erkennbar sein (keine nachträglichen Überschreibungen)
- Aufbewahrungspflicht: Mindestens 10 Jahre ab dem letzten Eintrag
Dokumentationssysteme in der Schweizer Langzeitpflege
BESA-System
Das BESA-System (Bewohner-Einstufungs- und Abrechnungssystem) ist das in Schweizer Pflegeheimen am weitesten verbreitete Instrument. Es erfasst den Pflegebedarf systematisch und bildet die Grundlage für die Leistungsabrechnung. Die Einstufung erfolgt in verschiedenen Bereichen wie Alltagsgestaltung, Mobilität, Ernährung und Behandlungspflege.
RAI-System
Das Resident Assessment Instrument (RAI) ist ein umfassendes, international anerkanntes Beurteilungssystem. Es erfasst nicht nur den Pflegebedarf, sondern auch kognitive Funktionen, soziale Teilhabe und Lebensqualität. Viele Schweizer Institutionen nutzen RAI-NH (RAI for Nursing Homes) als Qualitätsinstrument.
Digitale Dokumentationssysteme
Zunehmend setzen Pflegeeinrichtungen auf elektronische Pflegedokumentationssysteme (ePD). Diese bieten zahlreiche Vorteile:
- Schnellerer Zugriff auf Informationen durch alle beteiligten Fachpersonen
- Automatische Plausibilitätsprüfungen und Erinnerungsfunktionen
- Bessere Lesbarkeit gegenüber handschriftlichen Einträgen
- Integrierte Statistik- und Auswertungsfunktionen
- Höhere Datensicherheit durch Zugriffskontrollen und Backups
Datenschutz in der digitalen Pflegedokumentation
Bei der Nutzung digitaler Systeme ist besondere Vorsicht geboten. Achten Sie darauf, dass:
- Zugangsdaten niemals weitergegeben werden
- Bildschirme beim Verlassen des Arbeitsplatzes gesperrt werden
- Datensicherungen regelmässig durchgeführt werden
- Das System den Schweizer Datenschutzbestimmungen entspricht
Best Practices für eine qualitativ hochwertige Dokumentation
1. Präzise und objektive Formulierung
Vermeiden Sie subjektive Wertungen und dokumentieren Sie stattdessen beobachtbare Fakten. Statt "Bewohner ist schlecht gelaunt" schreiben Sie besser: "Bewohner äussert mehrfach, dass er sich unwohl fühlt. Lehnt Teilnahme an Aktivitäten ab."
2. Strukturierte Pflegeplanung
Eine gute Pflegeplanung folgt dem Pflegeprozess:
- Assessment: Systematische Erfassung des aktuellen Zustands
- Pflegediagnose: Identifikation von Pflegeproblemen und Ressourcen
- Planung: Festlegung von Zielen und Massnahmen
- Durchführung: Umsetzung der geplanten Interventionen
- Evaluation: Überprüfung der Zielerreichung und Anpassung der Planung
3. Relevante Informationen priorisieren
Dokumentieren Sie wesentliche Veränderungen ausführlich, während Routinemassnahmen knapper festgehalten werden können. Besonders wichtig sind:
- Akute Verschlechterungen des Gesundheitszustands
- Stürze oder andere Zwischenfälle
- Änderungen der Medikation
- Gespräche mit Angehörigen über wichtige Entscheidungen
- Arztvisiten und deren Ergebnisse
- Ablehnung von Pflegemassnahmen durch Bewohner
4. Interdisziplinäre Zusammenarbeit dokumentieren
Die Langzeitpflege ist Teamarbeit. Dokumentieren Sie daher auch Absprachen mit anderen Fachpersonen (Physiotherapie, Ergotherapie, Ärztinnen, Seelsorge etc.), damit alle Beteiligten auf dem gleichen Stand sind.
Häufige Fehler und wie Sie sie vermeiden
Unvollständige Dokumentation
Problem: Wichtige Informationen fehlen oder sind nicht nachvollziehbar.
Lösung: Nutzen Sie Checklisten und strukturierte Formulare. Planen Sie ausreichend Zeit für die Dokumentation ein.
Verspätete Einträge
Problem: Dokumentation erfolgt erst Stunden oder Tage nach der Massnahme.
Lösung: Dokumentieren Sie möglichst sofort nach der Durchführung. Nutzen Sie mobile Geräte für zeitnahe Einträge.
Unleserliche Handschrift
Problem: Handschriftliche Einträge sind nicht entzifferbar.
Lösung: Schreiben Sie in Druckbuchstaben oder nutzen Sie digitale Systeme. Unleserliche Einträge haben im Rechtstreit keine Beweiskraft.
Verwendung von Abkürzungen
Problem: Nicht standardisierte Abkürzungen sind nicht für alle verständlich.
Lösung: Verwenden Sie nur institutionsintern verbindliche Abkürzungen. Im Zweifelsfall ausschreiben.
Rechtliche Bedeutung der Pflegedokumentation
Im Haftungsfall gilt: "Was nicht dokumentiert wurde, wurde nicht durchgeführt." Eine lückenhafte Dokumentation kann als Indiz für mangelhafte Pflege gewertet werden. Umgekehrt schützt eine sorgfältige Dokumentation Pflegefachpersonen und Institutionen vor ungerechtfertigten Vorwürfen.
Zeitmanagement und Dokumentationseffizienz
Die Pflegedokumentation nimmt oft viel Zeit in Anspruch. Mit diesen Strategien können Sie effizienter arbeiten:
- Textbausteine nutzen: Erstellen Sie Standardformulierungen für häufige Situationen, die Sie individuell anpassen
- Diktiergeräte einsetzen: Sprechen Sie Beobachtungen ein und übertragen Sie sie später
- Teamabsprachen treffen: Klären Sie, wer was dokumentiert, um Doppeldokumentationen zu vermeiden
- Fokussierte Dokumentationszeiten: Planen Sie feste Zeiten für die Dokumentation ein, statt sie "nebenbei" zu erledigen
- Strukturierte Übergaben: Nutzen Sie standardisierte Übergabeprotokolle (z.B. SBAR-Schema)
Qualitätssicherung durch regelmässige Audits
Viele Institutionen führen regelmässige Dokumentationsaudits durch. Dabei wird stichprobenartig überprüft, ob die Dokumentation den Qualitätsstandards entspricht. Solche internen Kontrollen helfen, Schwachstellen frühzeitig zu erkennen und die Dokumentationsqualität kontinuierlich zu verbessern.
Typische Audit-Kriterien sind:
- Sind alle Pflegemassnahmen dokumentiert?
- Ist die Pflegeplanung aktuell und individuell?
- Sind Vitalzeichen und Beobachtungen vollständig erfasst?
- Sind Änderungen nachvollziehbar dokumentiert?
- Werden Datenschutzbestimmungen eingehalten?
Weiterbildung und Schulung
Die Anforderungen an die Pflegedokumentation entwickeln sich ständig weiter. Nutzen Sie Fortbildungsangebote zu diesem Thema, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Viele Fachverbände wie der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) bieten entsprechende Kurse an.
Auch CURAVIVA Schweiz, der Branchenverband der Institutionen für Menschen im Alter und für Menschen mit Unterstützungsbedarf, stellt umfangreiche Ressourcen zur Verfügung und organisiert regelmässig Fachtagungen zur Qualitätsentwicklung in der Langzeitpflege.
Fazit
Eine professionelle Pflegedokumentation ist weit mehr als lästige Pflicht: Sie ist Ausdruck pflegerischer Professionalität und dient der Sicherheit aller Beteiligten. Mit strukturierten Systemen, klaren Standards und kontinuierlicher Weiterbildung lässt sich die Dokumentationsqualität nachhaltig verbessern. Investieren Sie Zeit in eine sorgfältige Dokumentation, denn sie zahlt sich in besserer Pflegequalität, höherer Rechtssicherheit und effizienterer Zusammenarbeit aus.