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Umgang mit Demenz

Die Begleitung eines Menschen mit Demenz gehört zu den grössten Herausforderungen für Angehörige. Die Kommunikation wird schwieriger, das Verhalten verändert sich, und die Person, die man kennt, scheint manchmal fremd. Hier finden Sie praktische Hilfe für den Alltag.

Demenz verstehen

Demenz ist keine einzelne Krankheit, sondern ein Überbegriff für verschiedene Erkrankungen des Gehirns. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Demenz, gefolgt von vaskulärer Demenz. Allen gemeinsam ist der fortschreitende Verlust kognitiver Fähigkeiten: Gedächtnis, Orientierung, Sprache, Urteilsvermögen und Persönlichkeit verändern sich.

Wichtig zu verstehen: Menschen mit Demenz verlieren nicht einfach ihr Gedächtnis. Sie verlieren Stück für Stück die Fähigkeit, ihre Welt zu verstehen und sich in ihr zurechtzufinden. Das löst oft Angst, Verwirrung und Frustration aus.

Die Welt der Demenz

Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens in einem fremden Haus auf, erkennen die Menschen um Sie herum nicht und verstehen nicht, wie Sie hierher gekommen sind. Vertraute Alltagshandlungen funktionieren plötzlich nicht mehr. So kann sich Demenz anfühlen, nicht durchgehend, aber in zunehmendem Masse.

Die Stadien der Demenz

Demenz verläuft meist schleichend in verschiedenen Stadien. Jeder Mensch ist anders, aber grob lassen sich drei Phasen unterscheiden:

Frühes Stadium: Leichte Vergesslichkeit, Wortfindungsstörungen, Orientierungsprobleme an fremden Orten. Betroffene sind sich ihrer Defizite oft bewusst und entwickeln Strategien, um diese zu verbergen. Selbstständigkeit ist weitgehend erhalten.

Mittleres Stadium: Deutliche Gedächtnislücken, zeitliche und örtliche Desorientierung, Schwierigkeiten bei Alltagsaufgaben, Verhaltensänderungen. Unterstützung und Beaufsichtigung werden notwendig. Diese Phase kann Jahre dauern.

Spätes Stadium: Schwere kognitive Einschränkungen, vollständige Abhängigkeit bei allen Aktivitäten des täglichen Lebens, oft Verlust der Gehfähigkeit und Sprachfähigkeit. Rund-um-die-Uhr-Betreuung ist erforderlich.

Grundprinzipien der Kommunikation

In die Welt des anderen eintreten

Das wichtigste Prinzip im Umgang mit Demenz: Versuchen Sie nicht, die Person in unsere Realität zu zwingen. Treten Sie stattdessen in ihre Welt ein, auch wenn diese Ihnen fremd erscheint.

Statt zu korrigieren: «Nein, Mutter ist schon lange tot.»
Besser validieren: «Du vermisst deine Mutter. Erzähl mir von ihr.»

Statt zu diskutieren: «Du hast doch gerade gegessen!»
Besser umlenken: «In einer Stunde gibt es Znacht. Magst du vorher noch einen Apfel?»

Grundregeln der Kommunikation:

Die Macht der Sinne nutzen

Wenn das verbale Gedächtnis nachlässt, gewinnen andere Sinne an Bedeutung:

Herausfordernde Situationen meistern

Wiederholte Fragen

«Wann kommt das Essen?», zum zwanzigsten Mal in einer Stunde. Wiederholte Fragen gehören zu den anstrengendsten Aspekten der Demenzbegleitung.

Warum passiert das? Die Person hat vergessen, dass sie gefragt hat und dass Sie geantwortet haben. Oft steckt auch ein Grundbedürfnis dahinter: Hunger, Angst, Langeweile.

Hilfreiche Strategien:

Umgang mit Aggressivität

Manche Menschen mit Demenz reagieren zeitweise aggressiv, verbal oder körperlich. Das ist für Angehörige besonders belastend, vor allem wenn es die eigene Mutter oder der eigene Vater ist.

Ursachen verstehen:

Deeskalierende Massnahmen:

Es ist nicht persönlich gemeint

So schwer es fällt: Aggressive oder verletzende Äusserungen richten sich nicht gegen Sie persönlich. Sie sind Ausdruck der Krankheit. Die Person, die Sie beschimpft, ist nicht mehr in der Lage, ihre Gefühle angemessen auszudrücken.

Wenn die Person «nach Hause» will

«Ich will nach Hause», einer der häufigsten und schmerzhaftesten Sätze. Oft bedeutet «nach Hause» nicht einen konkreten Ort, sondern ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.

Mögliche Reaktionen:

Wahnvorstellungen und Halluzinationen

Manche Menschen mit Demenz entwickeln Wahnvorstellungen («Sie stehlen meine Sachen») oder Halluzinationen (sehen oder hören Dinge, die nicht da sind).

Umgang damit:

Aktivitäten und Beschäftigung

Was ist noch möglich?

Auch mit Demenz können Menschen Freude an Aktivitäten haben. Wichtig ist, Überforderung zu vermeiden und Erfolgserlebnisse zu ermöglichen.

Geeignete Aktivitäten:

Wichtig:

Biografiearbeit

Die Lebensgeschichte eines Menschen bleibt oft lange erhalten, auch wenn das Kurzzeitgedächtnis versagt. Nutzen Sie das:

Selbstfürsorge für Angehörige

Die emotionale Belastung

Die Begleitung eines Menschen mit Demenz ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben überhaupt. Sie erleben, wie eine geliebte Person sich verändert, sie manchmal nicht mehr erkennt oder abweisend reagiert. Diese Verlusterfahrung bei lebendigem Leib ist schmerzhaft.

Häufige Gefühle:

All diese Gefühle sind normal und verständlich. Sie machen Sie nicht zu einem schlechten Menschen, sondern zu einem Menschen unter extremer Belastung. Wenn diese Gefühle überwältigend werden, kann therapeutische Unterstützung bei emotionaler Erschöpfung und depressiven Verstimmungen helfen, wieder Kraft zu schöpfen.

Grenzen erkennen und akzeptieren

Irgendwann kommt für viele der Punkt, an dem die Betreuung zu Hause nicht mehr tragbar ist. Dieser Moment ist für jeden anders. Anzeichen können sein:

Ein Heimeinzug ist keine Aufgabe, sondern oft die beste Lösung für alle Beteiligten. Im Heim erhält Ihr Angehöriger professionelle Betreuung, und Sie können wieder mehr Tochter, Sohn oder Partnerin sein.

Mehr dazu in unserem Artikel Heimeinzug begleiten.

Unterstützung holen

Sie müssen diese Herausforderung nicht alleine bewältigen.

Anlaufstellen in der Schweiz:

Angehörigenkurse besuchen

Alzheimer Schweiz bietet spezielle Kurse für Angehörige an. In diesen Kursen lernen Sie praktische Strategien für den Alltag, verstehen die Krankheit besser und können sich mit anderen Betroffenen austauschen. Viele berichten, dass diese Kurse sehr entlastend wirken.

Mehr zum Thema Überlastung finden Sie in unserem Artikel über Angehörigenbelastung und Burnout.

Besonderheiten bei Besuchen im Heim

Wenn Ihr Angehöriger mit Demenz im Heim lebt, ändern sich Ihre Besuche noch einmal.

Realistische Erwartungen

Nicht jeder Besuch wird schön und erfüllend sein. Manchmal erkennt Sie die Person nicht, ist müde oder abweisend. Das tut weh, ist aber nicht Ihre Schuld.

Hilfreiche Haltungen:

Mehr Ideen finden Sie im Artikel Besuchsgestaltung im Heim.

Rechtliche und medizinische Aspekte

Vorsorgeplanung

Im frühen Stadium der Demenz, solange Ihr Angehöriger noch urteilsfähig ist, sollten wichtige Dokumente erstellt werden:

Lassen Sie sich dabei von einer Fachstelle beraten, z.B. von Pro Senectute oder einem Anwalt.

Medikamentöse Behandlung

Es gibt Medikamente, die den Krankheitsverlauf etwas verlangsamen können, vor allem im frühen und mittleren Stadium. Ob eine medikamentöse Behandlung sinnvoll ist, sollte individuell mit dem Arzt besprochen werden.

Wichtig: Demenz ist bisher nicht heilbar. Die Medikamente können den Verlauf mildern, aber nicht stoppen oder rückgängig machen.

Umgang mit Fahren und Autofahren

Menschen mit Demenz sollten nicht mehr Auto fahren, sobald die Krankheit fortschreitet. Das ist ein sensibles Thema, bedeutet Autofahren doch Selbstständigkeit und Freiheit.

Sprechen Sie früh mit dem Arzt. Dieser kann eine Fahruntauglichkeit feststellen. Bei Nichtbeachtung können Versicherungsschutz und strafrechtliche Konsequenzen drohen.

Fazit: Beziehung neu definieren

Die Begleitung eines Menschen mit Demenz ist eine Herausforderung, die Sie an Ihre Grenzen bringen kann. Gleichzeitig bietet sie die Chance, eine Beziehung neu zu definieren, nicht mehr über Worte und Erinnerungen, sondern über Präsenz, Berührung und Gefühle.

Wichtig ist: Seien Sie nachsichtig mit sich selbst. Niemand kann diese Aufgabe perfekt bewältigen. Holen Sie sich Hilfe, bevor Sie erschöpft sind. Nutzen Sie Entlastungsangebote. Und erinnern Sie sich daran: Auch wenn sich die Person verändert, bleibt ihr Wert als Mensch unverändert.

Die Würde eines Menschen hängt nicht von seinen kognitiven Fähigkeiten ab. Jeder Mensch, auch mit fortgeschrittener Demenz, verdient Respekt, Zuwendung und Fürsorge. Indem Sie diese geben, leisten Sie Grosses.