CH Unabhängiges Informationsportal zur Langzeitpflege

24-Stunden-Betreuung: Modelle und Kosten

Eine 24-Stunden-Betreuung ermöglicht Rundumbetreuung zu Hause. Wenn regelmässige Spitex-Einsätze nicht mehr ausreichen, aber ein Umzug ins Pflegeheim noch nicht gewünscht oder nötig ist, kann eine Live-in-Betreuungskraft eine Lösung sein. Eine Betreuungsperson wohnt im Haushalt der pflegebedürftigen Person und unterstützt im Alltag, von der Haushaltsführung über Gesellschaft bis zur Grundpflege.

Doch wie funktioniert die 24-Stunden-Betreuung in der Schweiz? Welche Modelle gibt es? Was kostet diese Form der Betreuung, und was ist rechtlich zu beachten? Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick.

Was ist eine 24-Stunden-Betreuung?

Der Begriff «24-Stunden-Betreuung» ist eigentlich irreführend, denn niemand kann 24 Stunden am Tag arbeiten. Gemeint ist vielmehr eine Live-in-Betreuung: Eine Betreuungsperson wohnt im Haushalt der pflegebedürftigen Person und ist während ihrer Arbeitszeit für Unterstützung verfügbar.

Typische Aufgaben einer Live-in-Betreuungskraft:

  • Haushaltsführung: Kochen, Einkaufen, Putzen, Wäsche
  • Grundpflege: Unterstützung bei Körperpflege, An- und Auskleiden, Mobilisation
  • Begleitung: Gesellschaft, Gespräche, gemeinsame Aktivitäten
  • Alltagsstruktur: Hilfe bei Mahlzeiten, Medikamenteneinnahme, Tagesablauf
  • Nachtbereitschaft: Ansprechperson bei nächtlichem Hilfebedarf (keine aktive Nachtwache!)

Betreuung, nicht Pflege

Live-in-Betreuungskräfte sind keine ausgebildeten Pflegefachpersonen. Für medizinische Behandlungspflege (z.B. Wundversorgung, Injektionen) muss weiterhin die Spitex beigezogen werden.

Modelle der 24-Stunden-Betreuung

In der Schweiz gibt es verschiedene Modelle, wie eine Live-in-Betreuung organisiert werden kann:

1. Entsendung über Vermittlungsagenturen

Dies ist das am häufigsten gewählte Modell. Eine Schweizer Vermittlungsagentur stellt Betreuungspersonen aus dem EU-Raum (häufig Deutschland, Polen, Slowakei, Ungarn) zur Verfügung.

Funktionsweise:

  • Die Betreuungskraft ist bei einer ausländischen Firma angestellt
  • Sie wird nach der Schweiz entsandt (A1-Bescheinigung)
  • Regelmässiger Wechsel: Typischerweise alle 2-3 Monate neue Betreuungsperson
  • Die Agentur übernimmt Administration, Rekrutierung, Ersatz bei Ausfall

Vorteile:

  • Administrativ einfach (Agentur übernimmt Sozialversicherungen etc.)
  • Professionelle Vermittlung und Begleitung
  • Ersatz bei Krankheit oder Urlaub gewährleistet

Nachteile:

  • Regelmässiger Wechsel der Betreuungsperson (Kontinuität fehlt)
  • Teilweise Sprachbarrieren
  • Höhere Kosten durch Agenturgebühren

2. Direktanstellung (Arbeitgebermodell)

Die pflegebedürftige Person oder ihre Angehörigen stellen eine Betreuungskraft direkt an, und zwar als Arbeitgeber.

Funktionsweise:

  • Arbeitsvertrag nach Schweizer Recht
  • Anmeldung bei Sozialversicherungen (AHV, ALV, UVG, Pensionskasse)
  • Lohnabrechnung, Ferienregelung, Krankentaggeldversicherung etc.

Vorteile:

  • Kontinuität: Gleiche Betreuungsperson über längere Zeit
  • Direkter Kontakt, keine Agentur als Zwischeninstanz
  • Möglicherweise günstiger (keine Agenturgebühren)

Nachteile:

  • Hoher administrativer Aufwand (Lohnbuchhaltung, Sozialversicherungen)
  • Arbeitgeberverantwortung (Arbeitsrecht, Kündigungsschutz)
  • Kein automatischer Ersatz bei Krankheit oder Urlaub
  • Schwierig, qualifizierte Person zu finden

3. Selbstständige Betreuungsperson

Die Betreuungskraft arbeitet als selbstständig Erwerbende und rechnet Leistungen direkt ab.

Achtung: Die Scheinselbstständigkeit ist in der Schweiz ein grosses rechtliches Risiko. Wer regelmässig für nur einen Auftraggeber arbeitet und dort wohnt, gilt in der Regel nicht als selbstständig. Dieses Modell ist daher mit Vorsicht zu geniessen.

Was kostet eine 24-Stunden-Betreuung?

Die Kosten variieren je nach Modell, Qualifikation der Betreuungsperson und Anbieter erheblich.

Vermittlungsagentur (Entsendung)

Typische Kosten: CHF 6'500 bis CHF 10'500 pro Monat

Diese beinhalten:

  • Lohn der Betreuungskraft im Heimatland
  • Sozialversicherungen im Heimatland
  • Vermittlungsgebühr und Administration
  • Reisekosten der Betreuungskraft
  • Ersatzstellung bei Ausfall

Zusätzlich zu zahlen:

  • Kost und Logis (eigenes Zimmer, Verpflegung)
  • Eventuell Fahrtkosten vor Ort

Direktanstellung

Typische Kosten: CHF 5'000 bis CHF 8'000 pro Monat (Bruttolohn)

Zusätzlich:

  • Arbeitgeberanteil Sozialversicherungen (ca. 14% des Bruttolohns)
  • Pensionskasse (ab CHF 22'050 Jahreslohn)
  • Krankentaggeldversicherung
  • Ferienentschädigung (mindestens 4 Wochen)
  • 13. Monatslohn (je nach Vertrag)
  • Kost und Logis

Gesamtkosten: ca. CHF 7'000 bis CHF 10'000 pro Monat

Kostenvergleich: 24h-Betreuung vs. Pflegeheim

24-Stunden-Betreuung: CHF 6'500 bis CHF 10'500 pro Monat
Pflegeheim (mittlere Pflegestufe): CHF 8'000 bis CHF 12'000 pro Monat

Die 24-Stunden-Betreuung kann bei mittlerem Pflegebedarf kostengünstiger sein als ein Pflegeheim, insbesondere wenn die bisherige Wohnung beibehalten werden kann. Bei hohem Pflegebedarf wird ein Pflegeheim jedoch oft günstiger, da dort die Pflege von der Krankenkasse mitfinanziert wird.

Rechtliche Aspekte: Was ist zu beachten?

Arbeitsrecht

Live-in-Betreuungskräfte unterliegen dem Schweizer Arbeitsrecht, auch wenn sie über eine ausländische Agentur entsandt werden. Wichtige Punkte:

  • Arbeitszeit: Maximal 45 Stunden pro Woche (bei Direktanstellung). Bei Entsendung gelten die Regeln des Entsendelandes, aber mindestens Schweizer Mindeststandards
  • Ruhezeiten: Tägliche Ruhezeit von 11 Stunden (nicht unterbrochen!)
  • Freie Tage: Mindestens 1 freier Tag pro Woche
  • Nachtbereitschaft: Keine aktive Nachtarbeit! Die Betreuungskraft muss schlafen können und darf nur in Notfällen geweckt werden

Achtung: Scheinselbstständigkeit

Wenn eine «selbstständige» Betreuungskraft ausschliesslich für Sie arbeitet, in Ihrem Haushalt wohnt und Sie die Arbeitszeiten und Aufgaben bestimmen, gilt sie rechtlich als Angestellte. Scheinselbstständigkeit kann zu Nachzahlungen von Sozialversicherungen und Bussen führen.

Aufenthaltsbewilligung

  • EU/EFTA-Bürger: Freier Personenverkehr, aber Meldepflicht bei Aufenthalt über 3 Monate
  • Nicht-EU-Bürger: Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung erforderlich (schwer zu erhalten, da Kontingente begrenzt)

Qualität sichern: Worauf achten bei der Auswahl?

Bei Vermittlungsagenturen:

  • Transparenz: Klare Kostenaufstellung, schriftlicher Vertrag
  • Referenzen: Erfahrungsberichte anderer Kunden einholen
  • Ersatzregelung: Was passiert bei Krankheit oder Unzufriedenheit?
  • Sprachkenntnisse: Wie gut spricht die Betreuungskraft Deutsch/Französisch/Italienisch?
  • Ausbildung: Welche Qualifikationen hat die Person?
  • Betreuung vor Ort: Gibt es eine Ansprechperson in der Schweiz?

Bei Direktanstellung:

  • Referenzen: Frühere Arbeitgeber kontaktieren
  • Probezeit: Mindestens 1 Monat vereinbaren
  • Arbeitsvertrag: Schriftlich und auf Deutsch (oder in der Sprache der Betreuungskraft mit Übersetzung)
  • Sozialversicherungen: Korrekte Anmeldung bei AHV, UVG etc.

Alternativen zur 24-Stunden-Betreuung

Eine Live-in-Betreuung ist nicht für jeden die richtige Lösung. Alternativen:

  • Stundenweise Betreuung: Betreuungsperson kommt täglich, wohnt aber nicht im Haushalt (günstiger, aber keine Nachtbereitschaft)
  • Intensivierte Spitex: Mehrere Spitex-Einsätze pro Tag
  • Tages- und Nachtstrukturen: Tageszentrum tagsüber, Übernachtung zu Hause
  • Betreutes Wohnen: Eigene Wohnung mit Betreuungsangebot im Haus
  • Pflegeheim: Bei sehr hohem Pflegebedarf oft die sicherste und wirtschaftlichste Lösung

Finanzierungshilfen

Die Kosten einer 24-Stunden-Betreuung werden nicht von der Krankenkasse übernommen. Mögliche Unterstützung:

Hilflosenentschädigung (HE)

Bei dauernder Hilflosigkeit zahlt die AHV/IV eine Pauschale (CHF 252 bis CHF 1'008/Monat, je nach Schweregrad, Stand 2025). Diese kann frei für Betreuungskosten verwendet werden.

Ergänzungsleistungen (EL)

Betreuungskosten werden als Krankheitskosten anerkannt, allerdings nur bis zu einem Maximalbetrag (je nach Kanton CHF 25'000 bis 90'000 pro Jahr).

Assistenzbeitrag (IV)

Für Menschen mit IV-Rente: Ein individueller Beitrag zur Finanzierung selbst gewählter Hilfspersonen. Nur für IV-Bezüger unter Renteneintrittsalter.

Belastung für Angehörige: Auch bei 24h-Betreuung wichtig

Auch wenn eine Betreuungskraft im Haushalt ist, bleiben Angehörige oft in die Organisation und Koordination eingebunden. Die emotionale Belastung, insbesondere bei fortschreitender Demenz oder schwerer Krankheit, bleibt bestehen.

Wenn Sie als pflegender Angehöriger unter starkem Stress leiden, kann professionelle Unterstützung helfen. Informieren Sie sich über Stressbewältigungsangebote für pflegende Angehörige, um Ihre eigene Gesundheit zu schützen.

Fazit: Für wen eignet sich die 24-Stunden-Betreuung?

Eine Live-in-Betreuung ist eine gute Lösung, wenn:

  • ✓ Durchgehende Präsenz zu Hause gewünscht ist
  • ✓ Der Pflegebedarf nicht zu hoch ist (keine intensive medizinische Pflege)
  • ✓ Genug Platz für ein separates Zimmer vorhanden ist
  • ✓ Die Kosten tragbar sind (CHF 6'500 bis 10'500/Monat)
  • ✓ Die Familie bereit ist, eine fremde Person im Haushalt aufzunehmen

Wichtig ist eine sorgfältige Planung und die Wahl eines seriösen Anbieters. Lassen Sie sich von Pro Senectute, Ihrer Gemeinde oder spezialisierten Beratungsstellen unterstützen.